Donnerstag, 22. Dezember 2011

DIESER MANN GEHÖRT NICHT INS GEFÄNGNIS! ER VERDIENT DEN NOBELPREIS!

(Bjørn Smith-Simonsen, Vorsitzender des Komitees für Verlagsfreiheit der International Publishers Association, 1.11.2011)
Biographie

1968 begann er für die Zeitschriften „Der Eid" und „Neue Horizonte" zu schreiben.
Seit seinem 31. Lebensjahr wurde R. Zarakolu strafrechtlich verfolgt, weil er sich für die Meinungs- und Gewissensfreiheit einsetzte: 1971, während der Machtübernahme durch eine Militärjunta, wurde die Verfolgung mit seinen "illegalen Beziehungen zu Amnesty International" begründet! Er verbrachte fünf Monate im Gefängnis, bis die Anklage fallen gelassen wurde. 1972 wurde er erneut zu zwei Jahren Gefängnis verurteilt, weil er in einem Artikel über Ho Chi Minh und den Vietnam-Krieg geschrieben hatte. Erst 1974 wurde er im Zuge einer allgemeinen Amnestie freigelassen.



Zarakolu ließ sich jedoch nicht einschüchtern und setzte seinen Kampf für die Gedankenfreiheit und "die Verbreitung einer respektvollen Haltung gegenüber der Meinungsvielfalt und der Kultur in der Türkei" fort.

Der 1977 von ihm und seiner Frau Ayşenur in Istanbul gegründete „Belge“ („Dokument“-)Verlag wurde deshalb von Beginn an zum Opfer der türkischen Zensur. Das Verlegerehepaar erhielt Freiheits- und hohe Geldstrafen, seine Buchbestände wurden konfisziert und vernichtet. Im selben Jahr gehörte Ragip Zarakolu zu den Begründern der Tageszeitung „Demokrat“ und leitete die Auslandsredaktion. Nach dem Militärputsch vom 12. September 1980 wurde „Demokrat“ verboten und Ragip Zarakolu 1982 vorübergehend wegen seiner redaktionellen Tätigkeit inhaftiert. Bis 1991 wurde er aus seiner Heimat exiliert.





Mutiger Tabubrecher

Bis zum Putsch von 12. September 1980 waren die von „Belge" veröffentlichen Bücher meist wissenschaftlich und theoretisch. Dann begann Belge eine Reihe von 35 Büchern politischer Gefangener zu veröffentlichen: Anthologie von Gedichten, Kurzgeschichten und Romanen. Die Liste der Veröffentlichungen umfasst auch über zehn Übersetzungen der griechischen Literatur, ein Dutzend Bücher zum Genozid an den Armeniern sowie fünf Bücher über die Juden in der Türkei. Viele Bücher beziehen sich auch auf die Kurden in der Türkei, für deren Rechte sich R. Zarakolu ebenso einsetzte wie für eine gewaltfreie Beilegung des türkisch-kurdischen Konflikts.

Mit einem solchen Verlagsprofil erwies sich R. Zarakolu als unerschrockener Tabubrecher: Als erster Verleger seines Landes druckte er türkische Übersetzungen ausländischer Sachliteratur zum Genozid an den Armeniern (darunter George Jerjians „The Truth will Set us Free: Armenians and Turks Reconciled" sowie das Tagebuch des armenischen Arztes Garabed Hatscherjan „Smyrna 1922"), Aramäern und Assyrern (David Gaunt: ), zur Geschichte und Kultur von Griechen.





R. Zarakolu, der 1986 zu den 98 Begründern der türkischen Sektion der Liga für Menschenrechte (IHD) gehört, setzte sich stets für eine politische, also gewaltfreie Lösung des Kurdenkonflikts ein und engagierte sich für Menschen- und Volksgruppenrechte.

Für seinen verlegerischen Mut ehrte ihn die International Publishers Association 2008 mit dem Freedom to Publish Prize. Am 7. November 2011 wurde er als Verteidiger der Menschenrechte für den angesehenen Martin Ennals-Preis nominiert. Er ist Vorsitzender des Komitees für in der Türkei verhaftete Schriftsteller des Internationalen PEN-Clubs.

1995 verübten Mitglieder einer staatsnahen Kontra-Guerilla einen Bombenanschlag auf den Belge-Verlag. Seit dem frühen Tod seiner Frau (2002) war R. Zarakolu wiederholt verhaftet worden bzw. musste Anklagen und Prozesse erdulden.




Erneute Festnahme und Verhaftung

Am Abend des 28. Oktober 2011 wurde Ragıp Zarakolu auf dem Heimweg festgenommen und befindet sich gegenwärtig in Untersuchungshaft im Kocaeli-Gefängnis (bei Izmit). Die für die gerichtliche Haftanordnung während einer Hausdurchsuchung beschlagnahmten „Beweisstücke“ umfassen sechs Bücher, darunter drei noch unveröffentlichte Manuskripte zum Völkermord an den Armeniern und anderen christlichen Volksgruppen im Osmanischen Reich.

Zarakolus neuerliche Festnahme und Inhaftierung erfolgten im Zuge der „Union der Kurdistan-Gemeinschaften" (KCK)-Verhaftungswelle, der seit 2009 schätzungsweise bis zu 5.000 Personen zum Opfer fielen. Ihnen wird die Zugehörigkeit zu kurdischen oder prokurdischen Organisationen vorgeworfen, darunter die legale prokurdische Partei BDP festgenommen, an deren Akademie R. Zarakolus Sohn Deniz Zarakolu Vorträge hielt. Auch Deniz Zarakolu war wiederholt strafrechtlicher politischer Verfolgung ausgesetzt, unter anderem für eine Rede, die er 2002 am Grab seiner Mutter hielt. Deniz Zarakolu war bereits am 7. Oktober 2011 festgenommen worden und befindet sich seither im Hochsicherheitsgefängnis Edirne.


Die nach dem türkischen Antiterrorismus-Gesetz Verhafteten müssen mindestens ein Jahr auf ihren Prozess warten. Besonders besorgniserregend ist die mangelhafte medizinische Versorgung in diesem Zeitraum. Deniz Zarakolu ist Asthmatiker, und auch sein Vater Ragip ist nicht bei guter Gesundheit.


Zu den prominenten Opfern der jüngsten Verhaftungswelle gehört auch die Politologin Prof. Dr. Büsra Ersanl
ı. Der türkische Europa-Minister Egemen Bagis rechtfertigte die massenhafte Festnahme von Intellektuellen im Oktober 2011 mit den Worten: „Jeder für das, was er geschrieben hat, alle für ihre terroristischen Dossiers!“




Es ist aber offenkundig, dass die Verhaftungen in erster Linie der Einschüchterung der Intellektuellen in der Türkei dienen und die Kurden isolieren sollen.




Auszeichnungen

1999: Türkisch-Griechischer Friedens- und Freundschaftspreis

2003: Auszeichnung für die Gedankenfreiheit (P.E.N. Niederlande)

2004: Preis für Meinungsfreiheit (Norwegischer Schriftstellerverband)

2007: Preis für Meinungs- und Gedankenfreiheit (Türkischer Schriftstellerverband)

2008: Preis für die Publikationsfreiheit (International Publishers Association – IPA)

2011: Nominiert für den Martin Ennals-Preis

2011: EINGEKERKERT IM HOCHSICHERHEISGEFÄNGNIS KOCAELI!

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